BVMed-Healthcare Compliance-Konferenz in Berlin: „Überzogene Anforderungen dürfen sinnvolle Zusammenarbeit mit Ärzten nicht verhindern“

Pressemeldung – BVMed

Berlin, 06. Dezember 2013.

Berlin. Healthcare Compliance, also das Einhalten von Regeln in der Gesundheitswirtschaft, spielt in Zeiten zunehmender Transparenz in der Zusammenarbeit zwischen Medizinprodukte-Unternehmen, Ärzten und medizinischen Einrichtungen eine immer größere Rolle. Das darf aber nicht zu überzogenen Anforderungen führen, die die sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Ärzten verhindern. Das war eine Kernbotschaft der 5. BVMed-Healthcare Compliance-Konferenz mit dem Titel „Dekade der Transparenz – Was bedeutet das für die Healthcare Compliance?“ am 5. Dezember 2013 in Berlin mit rund 100 Teilnehmern. Oberstes Ziel von Healthcare Compliance muss es sein, nicht unter Korruptionsverdacht zu geraten und durch geeignete Weiterbildungs- und Schulungsmaßnahmen der Mitarbeiter eine transparente und rechtskonforme Zusammenarbeit mit medizinischen Einrichtungen sicherzustellen, so die Experten der BVMed-Konferenz.

Joachim M. Schmitt, BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied, bezeichnete eine enge Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Industrie in der MedTech-Branche als „wichtig und auch politisch erwünscht“. Die Zusammenarbeit sei aber strafrechtlich mit Risiken behaftet. Deshalb verfolge der BVMed mit der Aufklärungskampagne „MedTech Kompass“ (www.medtech-kompass.de) einen positiven Informationsansatz, um die Prinzipien einer guten und transparenten Zusammenarbeit bekannter zu machen und damit zu vermeiden, in Korruptionsverdacht zu geraten. Da die Gesetzestexte oft nicht einfach zu verstehen sind, hat der BVMed bereits 1997 den „Kodex Medizinprodukte“ mit praktischen Handlungsempfehlungen erarbeitet und 2006 gemeinsam mit dem Verband der Krankenhausdirektoren (VKD) Musterverträge für verschiedene Bereiche vorgelegt. Mit dem „MedTech Kompass“ werden die vier wichtigsten Prinzipien für „Healthcare Compliance“ kommuniziert:

> Trennungsprinzip: Zuwendungen dürfen nicht im Zusammenhang mit Beschaffungsentscheidungen stehen;
> Transparenzprinzip: Jede Zuwendung und Vergütung muss offengelegt werden;
> Dokumentationsprinzip: Alle Leistungen müssen schriftlich festgehalten werden;
> Äquivalenzprinzip: Leistung und Gegenleistung müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen.

Mit dem Kompass soll zudem ein „Netzwerk für mehr Sicherheit“ geschaffen werden: mit regelmäßigen Schulungen, Informationsveranstaltungen und Publikationen. Zu den notwendigen organisatorischen Maßnahmen gehört die Einführung eines Compliance-Managements mit einem Compliance-Verantwortlichen. Wichtig seien zudem regelmäßige Schulungen oder ein Vertragsmanagement mit einheitlichen Formular- und Vertragsmustern.

Die Kodexlandschaft ist nach Ansicht von Carsten Clausen von B. Braun Melsungen mittlerweile unübersichtlich geworden. Das trifft vor allem auf den Arzneimittelbereich zu. Im Medizinprodukte-Bereich gilt der Kodex Medizinprodukte in Deutschland seit 1997. Zwischenzeitlich gibt es aber auch einen europäischen Kodex von Eucomed, der teilweise schärfer ist. „Das Problem ist, dass jeder sein eigenes Recht macht und manche Kodex-Regelungen überzogen oder sogar überflüssig sind“, so Clausen. Sinn eines Kodex sollte sein, „das bestehende Recht den Unkundigen zu erklären, aber nicht, neues eigenes Vereinsrecht zu schaffen“. Compliance sei ein guter und richtiger „präventiver Ansatz“, dürfe aber nicht überdehnt werden. So sei es überzogen, Werbegeschenke wie Kugelschreiber und Schreibblöcke zu verbieten, wie es der FSA-Kodex vorsieht. Clausens Appell: „Wir brauchen wieder einen gemeinsamen Nenner. Es muss möglichst in allen Kodizes das gleiche gelten. Derzeit herrscht zu große Verwirrung.“ Zur Überarbeitung des Kodex Medizinprodukte gehören die Erfordernis der Dienstherrengenehmigung, die Berücksichtigung internationaler Veranstaltungsteilnahmen, das Verbot von Einladungen von „Begleitpersonen“ oder klare Wertgrenzen bei Bewirtungen und Geschenken. Ziel müsse es sein, industrieübergreifend Mindest-Grundvoraussetzungen bei der Zusammenarbeit mit Fachkreisangehörigen zu schaffen, so Clausen.

Rechtsanwalt Dr. Peter Dieners von Clifford Chance stellte die Ergebnisse einer Healthcare Compliance-Studie der Medizintechnik- und Pharma-Verbände vor. Im Rahmen der Studie wurden über 100 Compliance-Officer der MedTech- und Pharma-Branche befragt. Bei der beruflichen Qualifikation von Compliance-Officern überwiegt der rechtliche Hintergrund. Zu wenige hätten Außendienst-Erfahrungen. Ein weiteres Problem sei, dass noch immer rund 30 Prozent der Compliance Officer an den Leiter der Rechtsabteilung berichten. Damit komme der ethische Aspekt der Aufgabe zu kurz. Grundsätzlich sollte die Stelle an den Vorstand bzw. die Geschäftsführung angedockt werden. Wichtigste Aufgabe ist „Training und Weiterbildung der Mitarbeiter in einer verständlichen und verbindlichen Form“. Das sei das zentrale Element eines Compliance-Programms, so Dieners. Weitere Aufgaben sind die Entwicklung von Compliance-Richtlinien oder Interaktionen mit Ärzten und medizinischen Einrichtungen. Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit gewinnen zunehmend an Bedeutung. Rund zwei Drittel der Unternehmen haben unternehmensinterne Richtlinien, welche die Delegation der Pflichten und Verantwortungen für Compliance regeln. Dieners nannte zudem einige Trends, die sich aus der Befragung ergeben. Die Compliance-Perspektive wird zunehmend in die Bewertung der Leistung von Mitarbeitern einbezogen. Immer mehr Unternehmen haben eigene Listen zur Vergütung der Leistungen von medizinischem Personal („Fair Market Value“) und veröffentlichen die Höhe der Zuwendungen an Ärzte im Internet. Ein weiterer Trend ist, dass wieder mehr persönliche Trainings als reine Online-Schulungen durchgeführt werden.

Über die Arbeit eines Compliance Monitors im Unternehmen berichtete Antje Doether, Compliance Director Europa, Australien, Neuseeland und Japan bei Smith & Nephew. Ein „Compliance Monitor“ ist ein unabhängiger Anwalt oder Rechnungsprüfer, der von einer Behörde entsandt wird und das Compliance-Programm eines Unternehmens mit Hilfe eines Teams über einen festgelegten Zeitraum beobachtet und überprüft. Auslöser eines „Monitorship“ können längere oder schwerwiegende Verstöße gegen den „US Foreign Corrupt Practices Act (FCPA)“ sein. Der Compliance Monitor evaluiert die Umsetzung des Compliance-Programmes und die internen Kontrollfunktionen des Unternehmens. Wichtig ist, dass das Unternehmen ein etabliertes Compliance-Programm vorweisen kann und die Mitarbeiter entsprechend geschult sind. Das Unternehmen sollte eng mit dem Monitor zusammenarbeiten und seine Vorschläge ernst nehmen. Das Unternehmen kann dann durchaus vom „Monitorship“ profitieren und an der Verbesserung von jeglichen Compliance-Problemen arbeiten.

Einen Blick über die Branchengrenzen hinaus gewährte Oliver H. Oberg, Leiter des Global Compliance Office der Deutschen Post DHL. Der werte- und risikoorientierte Ansatz des weltweiten Compliance Management Systems der Deutschen Post DHL startete 2006 mit einem Verhaltenskodex („Code of Conduct“), der die ethischen Standards setzte. Eine Compliance-Risikobewertung ergänzt das Konzern-Risikomanagement und ist Basis für ein spezifisches Compliance-Programm. „Die operative Geschäftstätigkeit in 220 Ländern und Territorien bedeutet dabei die Präsenz in diversen Hoch-Risiko-Gebieten“, so Oberg. Verbindungen mit Amtsträgern gibt es vor allem bei der Zollabfertigung. Basis der Compliance-Arbeit sind ein Risikokatalog und eine Risikobewertung, aus denen sich Maßnahmen zur Risikominderung ableiten. Dazu gehören fünf Kategorien: 1. Verantwortlichkeiten; 2. Prozesse, Richtlinien und internes Kontrollsystem; 3. Schulungen; 4. Kommunikation; 5. Überwachung und Reporting. Zu den Compliance-Bemühungen gehört ein strukturiertes Geschäftspartner-Screening mit hinterlegten Maßnahmen zu den unterschiedlichen Ebenen der Überprüfung von Geschäftspartnern. Zum konzernweiten Compliance Management System (CMS) gehören auch Compliance-Hotlines, um Verstöße melden zu können.

Der Rechtsanwalt und Arzt Dr. Adem Koyuncu von Mayer Brown erläuterte den rechtlichen Rahmen und die Grenzen von internen Ermittlungen („Internal Investigations“), deren Bedeutung für die MedTech-Branche zunimmt. Bei Hinweisen auf Rechtsverstöße oder Straftatbestände gibt es zwar keine direkte rechtliche Verpflichtung, sie leitet sich aber beispielsweise aus Organisationspflichten des Unternehmens ab. Auslöser für interne Ermittlungen können interne oder externe Hinweise von Behörden, Geschäftspartnern oder Medien sein. Bei eingehenden Hinweisen sollten die Unternehmen klare Schwellen definieren, ab wann interne Ermittlungen eingeleitet werden sollten. Internal Investigations bieten die Gelegenheit zur Messung und Überwachung des eigenen Compliance-Programms – neben dem Compliance Monitoring oder dem Compliance Audit. Ein Compliance Monitoring wird in der Regel anhand einer Auswahl und Stichproben an risikorelevanten Aktivitäten durch Compliance-Mitarbeiter durchgeführt. Ein Compliance Auditing erfolgt über unabhängige Auditoren. Es sind komplementäre, aber unterschiedliche Prozesse, die in Unternehmensrichtlinien abgebildet werden sollten.

Der Berliner Kriminalhauptkommissar Jörg Engelhard stellte Entwicklungen im Bereich der Korruptionsbekämpfung und des Abrechnungsbetruges dar. In Berlin gibt es getrennte Kommissariate für ambulante Leistungserbringung und Hilfsmittelabrechnung auf der einen und stationäre Leistungserbringung auf der anderen Seite. Strafrechtlich relevant sind Betrug und Untreue sowie die Korruptionstatbestände Vorteilsannahme und Bestechlichkeit. Zu den medizinprodukterelevanten Themen gehört der Betrug bei der Hilfsmittelabrechnung, der im Verhältnis zum ärztlichen Abrechnungsbetrug lediglich ein Nischenthema darstellt, so Engelhard. Meist geht es um ein betrügerisches Zusammenwirken von verschreibendem Arzt und Hilfsmittel-Leistungserbringer oder um wiederholte Abrechnung von neuen Medizinprodukten, die in Wahrheit immer wieder aufbereitet werden. Als Ausblick verwies Engelhard darauf, dass es nach dem neuen Koalitionsvertrag im Strafgesetzbuch für alle Berufsgruppen im Gesundheitswesen den neuen Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen geben soll.

Ein neues Konferenzbewertungssystem in der Orthopädie, das Anfang 2014 startet, stellte Otmar Wawrik vor. Er ist Vorstandsmitglied des Medizintechnischen und Pharmazeutischen Forums (MuP-Forum) in der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und war lange Jahre Vertriebs- und Marketingleiter bei Aesculap. Das Konferenzbewertungssystem verfolgt mit einer Checkliste einen doppelten Ansatz: die Bewertung einer Konferenz sowohl aus fachlicher als auch aus compliance-rechtlicher Sicht. Fachliche Kriterien sind Fort- und Weiterbildungsinhalte, wissenschaftliche Schwerpunkte, Budgetplanung und Kosten-Nutzen-Relation, Zielgruppen sowie Themenüberschneidungen mit anderen Veranstaltungen. Compliance-Kriterien sind der Veranstaltungsort und das Hotel oder auch das Rahmenprogramm. Das Bewertungsgremium besteht aus einem Juristen sowie aus Vertretern der Ärzteschaft und der Industrie. Ziel des Bewertungssystems ist es, eine deutliche Verbesserung der Kongress- und Veranstaltungseffizienz zu erreichen und die Healthcare Compliance sicherzustellen.

Hendrik Fink von PricewaterhouseCoopers stellte einen neuen Rechtsakt in den USA vor, der Handlungsbedarf für die Medizintechnologie bedeutet. Der so genannte „Dodd-Frank-Act“ verlangt die Offenlegung der Verwendung von „Konfliktmineralien“. Dazu gehören die Metalle Tantal, Wolfram, Zinn oder Gold, die aus der Region Kongo stammen. Beim Abbau wird dort massiv gegen Menschenrechte verstoßen. Außerdem werden mit den Erträgen Rebellentruppen finanziert. Unternehmen, die in den USA börsennotiert sind oder an solche Unternehmen Produkte liefern, müssen die Herkunft dieser Metalle offenlegen. Von der Regulierung ist nach Auskunft der US-Behörde insbesondere die Medizintechnik betroffen. Unternehmen im Anwendungsbereich müssen Berichtspflichten nachkommen. Sie sollen alle Produkte evaluieren, um ihre spezifischen Reporting-Anforderungen zu identifizieren. Fink stellte dar, dass auch in der Europäischen Union an einer ähnlichen Regulierung über „Konfliktmineralien“ gearbeitet wird.

Quelle: http://www.bvmed.de

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